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Kanzleialltag Teil 2 - Buchführungspflicht

Nachdem wir uns im ersten Teil der Serie zum Kanzleialltag damit befasst haben wie die Belege des Mandanten zu uns in die Kanzlei kommen, soll es heute vor allem darum gehen warum eine Buchführung überhaupt erforderlich ist. Die Ausgabe ist heute eher theorie-lastig, aber wichtig für das Verständnis der folgenden Schritte und um ein Bewusstsein zu schaffen, dass Buchführung nicht nur etwas für große Unternehmen ist, sondern jeden Unternehmer betrifft, egal ob groß oder klein.


Buchführung

Warum eigentlich eine Buchführung?


Diese sehr simple Frage ließe ich grundsätzlich auch simpel beantworten: Weil es das Gesetz so verlangt. Aber die Antwort ist ein wenig unbefriedigend, daher ein wenig mehr Hintergrund:


Die Buchführung wird insbesondere für die spätere Aufstellung der Bilanz benötigt. In dieser werden Vermögen und Schulden des Unternehmens gegenübergestellt. Grundlage hierfür bildet das jährlich aufzustellende Inventar, geregelt in §240 HGB (Handelsgesetzbuch). Das Inventar basiert wiederum auf der Inventur, d.h. der Bestandsaufnahme auf den Stichtag der Bilanz. Daher auch der Merksatz: „Von der Inventur zum Inventar zur Bilanz“.


Die Bilanz selbst erfüllt mehrere Zwecke, die hier lediglich kurz angerissen werden sollen:


  • Dokumentationsfunktion: Verbindliche Auskunft über Vermögen und Kapital des Unternehmens

  • Gewinnermittlungsfunktion: Insbesondere bei der Steuerbilanz als Grundlage für die Besteuerung des Unternehmens

  • Informationsfunktion: Grundlage für kaufmännische Entscheidungen (intern) und zur Information Dritter -> Insbesondere der Gläubigerschutz


In Summe brauchen wir die Buchführung also, um überhaupt einen Überblick über den wirt-schaftlichen Stand des Unternehmens zu bekommen und diesen ggf. nach außen kommunizieren zu können (z.B. an Behörden, Banken, Anteilseigner, etc.). Sie bildet auch die Grundlage für die Kosten- und Leistungsrechnung (aka Controlling) eines Unternehmens. Daher ist die gesetzliche Verpflichtung eine Sache, aber auch der Nutzen für das Unter-nehmen selbst ist unbestreitbar hoch und sollte daher nicht vernachlässigt werden.


Wer muss denn nun Bücher führen?


Hier gilt es grundsätzlich zwei Bereiche gedanklich zu trennen: Die Verpflichtung nach dem Handelsrecht (HGB) und dem Steuerrecht (Abgabenordnung, kurz: AO).


Handelsrecht:


Für das Handelsrecht finden wir die Verpflichtung in §238 Abs.1 HGB:


„Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muss so beschaffen sein, daß sie einem sach-verständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäfts-vorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen.“


Als „Kaufmann“ gelten hier die Kaufleute im Sinne der §§1 bis 6 HGB. Kurz gefasst: Jedes Unternehmen ist prinzipiell hiervon erfasst! Jeder, der ein Unternehmen gründet und betreibt muss also im Grundsatz eine Buchführung einrichten bzw. einen Steuerberater hiermit beauftragen. Ausnahmen bilden die Freiberufler, aber dazu später mehr.


Eine Ausnahme gibt es jedoch in §241a HGB und diese ist in der Praxis extrem bedeutsam, da sie die Komplexität für kleine Unternehmen eklatant senkt, da unter den folgenden Voraussetzungen die (handelsrechtliche) Buchführungspflicht entfällt:

  • Einzelkaufmann

  • An zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen

  • Weniger als jeweils 600.000 EUR Umsatz und weniger 60.000 EUR Gewinn

Sprich: Erst wenn ein Einzelunternehmen beide Grenzen (Umsatz und Gewinn) in zwei aufeinanderfolgenden Jahren überschreitet, ist eine Buchführung nach dem HGB zu unterhalten.


Die Regelung bedeutet aber im Umkehrschluss auch: Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG & KG) und Kapitalgesellschaften (z.B. UG (haftungsbeschränkt), GmbH, AG) sind immer nach dem HGB zur Buchführung verpflichtet.


Steuerrecht:


Das deutsche Steuerrecht definiert darüber hinaus noch zwei eigene Pflichten zu Buchführung. Die erste Pflicht ergibt sich aus §140 AO und ist einfach: Wer nach dem HGB (oder anderen Gesetzen) Bücher führen muss, muss dies auch für steuerliche Zwecke tun. So weit, so logisch.


Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, gilt zunächst noch einmal die Vorschrift des §141 AO. Diese besagt, dass Gewerbetreibende (im Sinne des §15 EStG) (und Land- und Forstwirte, aber hier mal ausgeklammert) zur steuerrechtlichen Buchführung verpflichtet sind, wenn sie einmalig einen Umsatz von mehr als 600.000 EUR im Kalenderjahr oder einen Gewinn von mehr als 60.000 EUR haben…also eine deutlich schärfere Regelung als das HGB.


Daher gilt: Vorab alle Regelungen prüfen um festzustellen, ob eine Buchführung erforderlich ist oder nicht!


Heißt aber auch: Wer Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt, d.h. gem. §18 EStG, ist niemals zur Buchführung verpflichtet, da hier die Kaufmannseigenschaft im Sinne des HGB fehlt (Stichwort: Handelsgewerbe) und auch keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen.


Keine Buchführungspflicht = Keine Arbeit?


Wer jetzt denkt, dass er damit aus dem buchhalterischen Schneider ist: Falsch gedacht! Richtig ist zwar, dass weder HGB noch AO eine Buchführungspflicht erzeugen und dem Steuerpflichtigen daraus auch die Gelegenheit zur steuerlichen Gewinnermittlung nach §4 Abs.3 EStG durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gegeben wird, aber so leicht macht es einem der Staat dann doch nicht.


Früher war es durchaus noch möglich und zulässig, seinen Gewinn in einer einfachen Excel-Tabelle zu ermitteln. Heutzutage ist das allerdings nicht mehr möglich. Grund hierfür: Die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Auf-zeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“, kurz GoBD.


In extrem verkürzter Fassung: Die GoBD regeln unter anderem wie Belege erfasst, be-arbeitet und archiviert werden müssen. Zudem enthalten die GoBD Regelungen wie Geschäftsvorfälle zu erfassen sind (u.a. vollständig, richtig, ordnet & unverfälschbar)…und beim Wort „unverfälschbar“ wird es mit Excel sehr schnell sehr dünn.


Und wer jetzt denkt: „Ich muss doch keine Bücher führen, was juckt mich das?“, der liegt weit daneben. Schlüssel hierzu ist das Wörtchen „Aufzeichnungspflichtige“: Jeder Unternehmer ist nach den Steuergesetzen zu gewissen Aufzeichnungen verpflichtet (z.b. §22 UStG, §4 Abs.3 S.5 EStG, etc.)…und dank des Wörtchens somit auch in den GoBD „verhaftet“. Ergo: Es wird nichts mit Excel, sondern dann doch Buchführung…wenn auch durch die Hintertür.


Zwischenfazit: Egal wie man es dreht und wendet: Um eine Buchführung kommt man als Unternehmer nicht herum. Und dazu braucht es entweder geeignete Software und/oder einen Steuerberater.


Und was, wenn mir die Buchführungspflicht egal ist?


Jetzt mögen vermeintliche pfiffige Personen auf die Idee kommen, dass es doch nur zusätzliche und unnötige Arbeit ist Bücher zu führen und dies einfach nicht zu tun. Aber: Verdammt schlechte Idee!


Wenn eine handelsrechtliche Verpflichtung zur Buchführung besteht und dieser nicht nachgekommen wird, so droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe (§283b StGB). Das ist schon problematisch genug, aber das Steuerrecht schlägt parallel auch zu, und das gleich doppelt.


Zum einen finanziell: Da das Finanzamt den Gewinn ohne Buchführung nicht ermitteln kann, darf (bzw. muss) sie den Gewinn nach §162 AO schätzen. Und angesichts des Vorsichts-prinzips kann man davon ausgehen, dass dies nicht gerade vorteilig für den Steuer-pflichtigen ist.


Zum anderen kommt dann noch das Steuerstrafrecht: Da die Bücher absichtlich und willentlich nicht geführt wurden, ist bei eingetretener Steuerverkürzung auch der Vorwurf der Steuerhinterziehung (§370 AO) nicht weit: Hier gibt es dann eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bzw. in besonders schweren Fällen Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten bis zu 10 Jahren.


Ergo: Eine sehr dumme Idee, die niemand ernsthaft verfolgen sollte.


Fazit und Vorschau


Jeder Unternehmer muss Bücher führen, Punkt. Welche Pflichten für ihn gelten ist gesetzlich bestimmt und können auch nicht umgangen werden…nicht einmal für Einnahmen-Überschuss-Rechner. Es ist daher essentiell sich mit diesem Thema zu befassen und eine geeignete Buchführung einzurichten. Alternativ stehen wir Steuerberater selbstverständlich gerne auch parat und unterstützen Unternehmer bei diesem Thema, sei es mit der Einrichtung, Durchführung oder laufenden Überwachung der Buchführung.


In der nächsten Folge soll es dann, nach dem heutigen theoretischen Exkurs, dann wieder in die Praxis zurückgehen: Was machen wir mit den Belegen und wie buchen wir diese ein…und wohin führt das Ganze.


Euer / Ihr


Dennis Appelhoff

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